Samstag, 13. Dezember 2014

Der Tag an dem der Winter kam ...

(Montag, 8. Dezember)... begann für uns mit dem grandiosen Plan, eine Cabintour auf die Kamtjønnkoia zu machen. Die Hütte des Uni-Sportvereins NTNUI hatte sich Christian (mit dem wir schon von Sonnvasskoia zu Nicokoia unterwegs waren) vorgenommen, um mit seinem Bruder Lukas, der zu Besuch war, auch eine solche Tour gemacht zu haben. Die Hütte ist die höchstgelegene aller Hütten, die man über die NTNUI besuchen kann, nämlich auf 1200 m. Wir vermuteten, dass es in den nächsten Wochen bestimmt schneien würde und dass man die Tour dann nicht mehr ohne weiteres machen kann. NTNUI behält sich aufgrund der Lage der Hütte sogar vor, die Buchung bis zum Tag vorher zu stornieren, wenn die Wetter und Schneeverhältnisse zu kritisch sind. Noch waren jedoch nur wenige Zentimeter Schnee im Schneebericht verzeichnet und auch der Wetterbericht sagte zwar Temperaturen um die minus acht Grad vorher, aber sonst keinen nennenswerten Niederschlag und sogar nur leichte Bewölkung.

Dazu ließen wir uns natürlich nicht zweimal einladen und am Sonntag kochten wir bereits das Abendessen für die Hütte vor, Linda musste sich am Montag Morgen in der Uni noch einen Platz für die Hütte buchen, Christian und Lukas mieteten ein Auto der Poloklasse und André kaufte noch Lampenöl und Streichhölzer zum kochen. Gegen halb zehn waren wir fertig mit allem und trafen uns vor unserem Haus in Moholt. Der "Polo-Klasse"-Wagen entpuppte sich als neue A-Klasse und so starteten wir recht komfortabel bei bestem Wetter von Trondheim nach Oppdal.

In Oppdal waren wir auch schon bei unserem ersten Ausflug mit dem Sprachkurs. Der Skiort liegt auf ca. 600 Metern über dem Meer und an/in der bekannten Berglandschaft "Trollheimen". Schnee lag nur wenig -nicht viel mehr als in Trondheim- und die Skibetreiber versuchten offensichtlich mit massiven Einsatz von Schneekanonen wenigstens einige Pisten zu präparieren. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Supermarkt ging es weiter in eines der Seitentäler. Dort entschied sich, ob man nur den Winterparkplatz an der Südspitze des dortigen Gjevilvatnet (ein großer See, an dem die Wanderung beginnt) oder noch den Sommerplatz an der Nordost-Ecke des Sees nutzen kann. Von Winter zu Sommerparkplatz muss man 12 Kilometer auf einem Schotterweg gehen, von daher waren wir sehr froh, dass wir bis zum Sommerparkplatz fahren konnten. Der Weg machte einen halbwegs griffigen Eindruck und hatte nur zwei größere Steigungen. Am Parkplatz angekommen (gegen 13 Uhr) machten wir unsere Ausrüstung fertig, wechselten in die Wanderschuhe und traten mit einem kurzen Blick auf die Karte unseren Weg durch die typischen Birkenwäldchen in Richtung Baumgrenze an.
"Polo-Klasse"
Unser Parkplatz: wenige Zentimeter Schnee auf massiver Eisplatte
Immer an einem Bachlauf beziehungsweise zwischenzeitlich einer Schlucht, in der der Bach lief, entlang ging es auf recht kurzweiligen und gut eingelaufenen Wanderwegen weg vom See in Richtung Nordwesten. NTNUI gab eine Gehzeit von vier Stunden an und so versuchten wir sehr zügig voranzukommen, um möglichst wenig unserer Wegstrecke im Dunkeln zurücklegen zu müssen (Dämmerung ab halb 3, komplett Dunkel gegen 4). Kurz nachdem wir die lichten Wäldchen hinter uns gelassen haben, kreuzten sehr viele Tierspuren unseren Weg. Wenig später sahen wir die zugehörigen Rentiere. Eine Herde trieb sich an einem leichten Hang entlang unseres Weges herum und wirkte -immer mit respektvollem Abstand- eher neugierig als verschreckt.
Mittagssonne
Rückblick zum Gjevilvatnet. Die Strecke hätten wir laufen müssen, wenn der Sommerparkplatz nicht mehr zu erreichen gewesen wäre.
lange Schatten, den ganzen Tag über
erste Ansammlung von rentieren, die man eventuell als Herde bezeichnen könnte
Gemäß Wegbeschreibung mussten wir bald den Bach kreuzen und entlang eines weiteren Baches Richtung Westen auf eine relativ schmale Schlucht zulaufen. Nach der Bachüberquerung (aufgrund anhaltender Minusgrade in den letzten Wochen, war der zugefroren und eher die Frage ob da nicht Luft drunter sein könnte) machten wir eine kurze Essenspause. Bevor uns richtig kalt werden konnte (um die minus 7 Grad) gingen wir weiter. Immer wieder machten uns gefrorene Sumpf-tümpel und Zuläufe zum Bach den Weg zur Rutschpartie.
Bachüberquerung zur Halbzeit
Ein bisschen wie Mordor mit Schnee ;)
Immer noch gut im Zeitplan erreichten wir vor der Schlucht das Holzlager. Da die Hütte so hoch und hinter der recht engen Schlucht liegt, kann selbst im Winter kein Holz mit motorisiertem Gerät zur Hütte gebracht werden. Daher muss das Holz die letzen ca. 400 m zur Hütte getragen werden. Leider war das Holz wieder auf der anderen Seite des Baches. Diesmal war die Strömung stärker und das Eis dünner und die Überquerung nahm einige Zeit in Anspruch. Jeder nahm ein bis drei der knapp zwei Meter langen Holzprügel, band sich an den Rucksack was kurz genug war und versuchte wieder zurück zum Weg zu kommen. Mit Holz dauerte dies diesmal noch etwas länger und in der Zwischenzeit zog zusätzlich zur erwarteten Dämmerung ein unerwartet starker Wind auf, der den lockeren Schnee umherreise. Nach und nach begann es zudem immer mehr zu Schneien. Durch die Schlucht kletterten wir recht schnell hoch und fanden oben einen (den kleineren von zwei Seen) vor. Diesem wollten wir gemäß Wegbeschreibung gegen den Uhrzeigersinn umgehen. Leider waren etliche Zuflüsse gefroren, überfrorenen und dadurch immer breiter geworden, so dass wir es nur mit Mühe über den ersten "Bach" schafften. Am zweiten war die schräge Eisfläche so glatt, dass wir am Berg hochstiegen, um weiter oben über eine griffigere oder schmalere Stelle über den Zulauf zum See zu steigen. Dann wurde es komplett dunkel, der Schneefall und Wind war inzwischen zum Schneesturm geworden und wir hatten auch schon ohne steilen Hang und Eis genügend damit zu tun uns gegen den eisigen Wind vorzukämpfen. Einige weitere "Bach/Eis-überquerungen", Krabbelpartien und viel Herumgetaste, waren wir immer noch nicht komplett um den See herum und wussten auch nicht mehr wie das Gelände auf dieser Seite des Sees aussah. Dass das Kartenraster die meisten schmalen aber steilen und gegebenenfalls auch tiefen Schluchten einfach unter den Tisch fallen lässt, haben Christian und André ja bereits bei ihrer letzten Wanderung recht deutlich festgestellt und wir packten vorsichtshalber die Stirnlampen aus. Damit konnten wir jetzt zumindest genauer erkennen wo wir hintraten, verloren aber wegen des dichten Schnees jede Landmarke aus den Augen. Schritt um Schritt stiegen wir sehr vorsichtig weiter am Hang entlang in Richtung nächster "Schlucht" die vom kleinen zum größeren See führt. Bei jedem Schritt galt es zu testen ob unter der Schneeschicht nicht schon wieder blankes Eis war, das eine schmerzhafte Rutschpartie bis zum See runter bedeuten könnte, oder abzuwägen, ob die Windböen tatsächlich einen Schritt zuließen. Einige Zeit später stellten wir dank Blick auf den Kompass fest, dass wir in der "Schlucht" sein mussten und wenige Schritte später, dass der Hang bereits wieder in eine andere Richtung zeigt. Eigentlich sollten wir laut Karte an der Hütte angekommen sein. Im Radius unserer Lampen war jedoch nichts zu sehen, waren ja auch nur 10 m. Nachdem Christian das GPS seines Handys angemacht hatte, machten wir kurz unsere Stirnlampen aus, um eventuell in der Dunkelheit wieder Schemen zu sehen. Glücklicherweise half uns das dann auch schon die Hütte nur wenige Schritte bergab entfernt stehen zu sehen. Schnell die Richtung gemerkt, Lampen wieder angemacht, abgelegtes Holz aufgesammelt und die wenigen restlichen Schritte bis zur Kamtjønnkoia gegangen - endlich da! Zweieinhalb Stunden hatten uns die ca. 400 Meter gekostet und einiges an Nerven...
Linda
Lukas
Christian
André
Drinnen hatte es natürlich Außentemperatur, aber dank einiger Erfahrung mit den Öfen und Kochern der Cabins hatten wir die super gebaute und isolierte Hütte binnen einer Stunde um knapp 30 Grad wärmer geheizt. Auch das Essen, die vorbereiteten Spaghetti Bolognese in ausreichender Quantität, waren warm. Nach dem Essen begannen wir Schnee zum Trinken zu schmelzen (hinlänglich bekannt aber trotzdem interessant zu sehen: selbst im Topf komprimierter Schnee hat zum Wasser ein geschätztes Volumenverhältnis von 1 zu 15). Die Abendgestaltung fiel recht ruhig aus: wir lasen die Einträge diverser Hüttenbücher seit 1945 durch - ein sehr kreatives Wandervolk. Letzter Tagesordnungspunkt vor dem Zu-Bett-Gehen: wer steht wann auf um Holz nachzulegen? Alle zwei Stunden ließ sich abwechselnd einer von uns wecken, um den Ofen mit wenigen Scheiten zu füttern, so dass wir in der früh nicht bei Kälte aufstehen und erst neues Feuer machen müssen.
Abendprogramm: Hüttenbucheinträge seit den 40ern
letzte Amtshandlung des Tages: gemeinschaftliches Zähneputzen ;)
Das klappte auch halbwegs und wir wachten in einer fast warmen Hütte und bei wieder ruhigem Wetter auf. Nach dem Frühstück (mit lecker aufgewärmten Spaghetti vom Vorabend) machten wir das Holz, das wir mühsam mit hoch geschleppt hatten, ofenfertig und lagerten es in die Hütte zum Trocknen ein. Geschirr musste gespült, alles für den Rückweg gepackt und die Hütte rausgekehrt werden. Um vor dem Rückweg noch die Notdurft zu verrichten, musste erst das Klohäuschen vom Schnee befreit werden (innen!). Der Schneesturm hat den Schnee durch die Fugen in das Häuschen gedrückt, so dass  am Morgen mehr Schnee drin als drumherum lag. Erst gegen halb eins waren wir mit allem fertig und machten uns auf den Rückweg. Zurück gingen wir (entgegen der Wegbeschreibung) an der Südöstlichen Kante des Sees, wo es keine Zuflüsse gab und liefen die meiste Strecke direkt auf dem See, auf welchem der Wind über Nacht 30 bis 40 cm Schnee abgeladen hatte und uns das rutschfreie Gehen darauf ermöglichte. Am Abfluss des Baches der uns bis zum Parkplatz begleiten sollte trauten wir uns nicht über den See auf die richtige Seite zurück und krabbelten lieber über eine gut zwei Meter hohe gepresste Schneewehe, die die enge Schlucht komplett auffüllte. So schafften wir es nach ca. 20 Minuten die von der Hütte bis zum Ende der Schlucht, was am Vortag noch 2,5 Std. gedauert hatte. Danach war es eine gemütliche Winterwanderung, mal durch hüfthohen Schnee, mal über abgewehte Hügel im sonstigen Sumpf, mal über kleinere oder größere Eisflächen (auf welchen wir aber wenigstens weich fielen). Geschätzte zwanzig bis dreißig Zentimeter Schnee hatte es in der Nacht gegeben und das verschneite Auto sollte unserer Schätzung später recht geben. Die Rentierende war immer noch an Ort und Stelle und beachtete uns diesmal sogar noch weniger als am Vortag. Gegen Ende der Wanderung liefen wir durch einen tollen verschneiten Birken-Winter-Wald. Nach nur gut drei Stunden waren wir wieder am Auto, pünktlich zu Beginn der Dämmerung.
obligatorisches Hütten-Gruppen-Bild
Der erste Teil des Weges war noch komplett unberührt und das Auto hatte seine Mühe mit dem hohen Schnee und dem Eis drunter. Beim zweiten Anlauf packten wir den ersten Hügel und nach ein paar hundert Metern fuhren wir zum Glück auf einen gefrästen Weg. Den Rest des Weges brachte uns Christian sicher nach Hause.

Alles in allem eine sehr schöne Cabintour mit leicht abenteuerlichen Elementen.

Samstag, 6. Dezember 2014

Ende des Herbstsemesters

Mit der heutigen Abgabe unserer letzten Ausarbeitung, endet unser Herbstsemester an der NTNU. Nach einer zähen Woche, habe wir beide unsere gut zehn-seitigen Aufsätze zum Thema "Kooperationstechnologien und Soziale Medien" abgegeben. Als Belohnung sind wir dafür heute gleich mal André's klasse Geburtstagsgeschenk einlösen gegangen: in eines der Sushi-Restaurants Trondheims. Es war sehr lecker! Wir hatten grünen Tee, Miso-Suppe, Spezialitäten-Platte und gebackenes Eis und können das Gesamtpaket, so wie es ist, uneingeschränkt weiterempfehlen für alle, die mal das Vergnügen haben, Trondheim zu besuchen ;) Besonders zu empfehlen ist Sushi mit Lachshaut, auch wenn es etwas komisch klingt. Vielen Dank für das Geschenk, Annette und Rudi!

André war etwas schneller mit seiner Abgabe und hatte bereits vorherige Nacht nichts mehr zu tun. Daher hatte er Zeit ein Motivationsessen für Linda und einfach nur ein gutes Abendessen für sich selbst zu kochen ;)
Alles ab-so-lut rund auf dem Teller - das Motto des Essens
Anschließend ist er bei wolkenlosem Himmel (zum ersten Mal seit längerem, und laut Vorhersage auch nicht so bald wieder) gegen 10 Uhr Abends mit dem Rad nach Bymarka hochgefahren, um dort den Nachthimmel und Trondheim von oben zu fotografieren und bis zum nächsten Tag zu biwakieren. Leider hat er sich zu dick eingepackt und kam ziemlich verschwitzt oben an, zumal ab der Hälfte der Strecke entgegen jeder Vorhersage deutliche Nordlichter zu sehen waren und Eile angesagt war. Der (fast-)Vollmond machte Fotos vom Nachthimmel leider witzlos, aber beim Wandern Taschenlampen unnötig. Bis die richtige Stelle gefunden, die Kamera auf- und eingestellt war, war der beste Teil des Nordlichtkinos leider schon vorüber. So verschwitzt wurde es leider sogar im Biwacksack nach wenigen Stunden zu kalt und André packte die Reservekleidung aus (Skihose, Regenjacke, Winterhandschuhe) und machte sich auf den Rückweg zum Rad und dann auf die lange Abfahrt zurück nach Trondheim.

Fazit des Ausflugs: Nicht nur auf Wetter und Polarlichtvorhersage achten sondern auch auf den Mond. Bewegungsgerechtere Kleidung beim Radfahren den Berg hoch. Zusätzliche Isolation zum Boden mit in den Biwacksack packen, vor Allem wenn man nicht auf den buschigen Mosen am Rand der Moore liegen kann.
Ausblick vom ersten potentiellen Nachtplatz: Nordlichtstreifen und vom Mond beleuchteter Vordergrund.
Hinter der Radarstation gehts ab (sogar leicht rote Streifen waren zu sehen) also schnell den Lagerplatz umziehen.
15 Minuten später: neuer Platz, kein rotes Licht mehr, Aurora schon deutlich weniger lebendig und auch noch falsche Kameraeinstellungen 
Vom Fjord zieht Nebel auf, leichte Wolkendecke schiebt sich von Süden rüber, es wird kalt - Zeit abzubrechen.