Letztes Wochenende haben wir uns auf unsere erste echte Cabintour begeben! NTNUI (die Sportgruppe der NTNU) hat einige winzige bis mittelgroße Selbstversorgerhütten ohne Wasser und Strom rund um Trondheim, die für wenige Euro die Nacht an Studenten vermietet werden. Per Bus, Bahn, Fähre, dem Rad oder zu Fuß sind die meisten Hütten binnen weniger Stunden mehr oder weniger einfach zu erreichen. Linda schloss sich diesmal einer anderen Gruppe ERASMUS-Studenten an, die das Wochenende auf der Nicokoia verbringen wollten. André plante mit Tobi und Christian am Samstag von der Sonvasskoia zur Nicokoia zu wandern (eine traditionsreiche Hütte-zu-Hütte-Tour) und sich von dort am Sonntag mit Lindas Gruppe wieder auf den Weg nach Hause zu begeben.
Freitag Mittag machte sich Lindas Gruppe von der Bushaltestelle vor dem Haus auf den Weg zur 40km südlich von Trondheim gelegenen Nicokoia. Vier Busse und etwas Verwirrung später erreichten sie den Ort Brøttem, der so gar nicht nach einem Dorf oder ähnlichem aussah. Jedoch war sich der Busfahrer des Schulbusses, in dem wir uns offensichtlich befanden, sehr sicher, dass wir hier aussteigen müssen. Nach kurzer Orientierungs- und Vorbereitungsphase machten wir uns auf gen Süden, wo wir vier Stunden später die Nicokoia finden sollten (so zumindest der Plan). Zunächst ging es über einen breiten Forstweg, was ganz ungewohnt war, da man in Norwegen doch eigentlich immer querfeldein wandert. Aber genau dieser Teil der Strecke sollte noch kommen. Denn nass wurden wir nicht nur von oben durch den leichten Regen, der sich zum Glück bald verzogen hatte, sondern auch von unten. Durch ziemlich sumpfiges Gebiet ging es an einem Bach entlang. Nur welcher dieser Bäche in der Beschreibung des Weges, die wir leider nicht dabei hatten, unserer war, war nicht ganz klar, was zu dem ein oder anderen Umweg geführt hat und uns mit unnötigen Steigungen konfrontiert hat. Bereits etwas verzweifelt, dass wir es doch nicht mehr schaffen werden vor Anbruch der Dunkelheit an der Hütte anzukommen, stießen wir nach ca. dreieinhalb Stunden endlich auf einen Pfad, der sogar als Wanderweg ausgezeichnet war. Diesem folgten wir und wurden wenig später von einem Schild überrascht, das tatsächlich unsere Hütte auswies: "Nicokoia". So ging es also weiter über einen schmalen Trampelpfad, der wahrscheinlich durch die vielen Hüttenbesucher im Laufe der Jahre entstanden ist. Die Hütte wurde nämlich schon 1947 erbaut und ist somit die älteste aller Hütten von NTNUI. Wieder motivierter ging es sich gleich viel einfacher und sogar die letzten Sonnenstrahlen blieben uns nicht verborgen, da sich der Himmel langsam aufgezogen hatte. Um 7, gerade vor Einbruch der Dunkelheit, erreichten wir glücklich nach fünf Stunden die Nicokoia.
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Auf gehts! Mit Karte und Kompass. |
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Steil ging es immer wieder hoch und runter. |
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Überall Sumpf... |
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Jaaa! Ein Schild zur Nicokoia. Wir dürfen den Weg wieder verlassen. |
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Die letzten Sonnenstrahlen kurz vorm Ziel genießen. |
Wir begannen fleißig den Ofen anzuheizen, Licht zu machen, Wasser zu holen und das Essen vorzubereiten - ganz klassisch Spaghetti mit Tomatensoße. Doch ohne Strom und fließend Wasser und die Routine damit umzugehen dauert alles nun mal recht lang, sodass wir erst gegen 12 müde in die Betten vielen. Den Samstag haben wir sehr ruhig angehen lassen. Nach langem Schlafen und ausgiebigem Frühstück machten wir uns um 12 auf den Weg die Landschaft um die Hütte herum etwas genauer zu erkunden. Wie die Landkarte, die wir uns vom internationalen Büro der Uni ausleihen konnten, verriet, bot sich eine recht hügelige, sumpfige Landschaft voller kleiner Seen uns Moose in verschiedensten Farben. Durch recht starken Wind nicht sonderlich motiviert große Berge zu erklimmen, machten wir uns schon nach drei Stunden inklusive langer Pause wieder auf den Rückweg zur Hütte. Dieses Mal schon etwas geübter gab es den Reis mit Gemüsesoße schon deutlich früher, sodass noch genügend Zeit für die ein oder andere Kartenrunde blieb. Gegen 10 machten wir uns langsam bettfertig und waren gespannt, ob es André und seine Gruppe wohl noch zu uns schaffen werden. Mehr dazu im Folgenden.
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Fast schon ein Festmahl mit frischem Basilikum. |
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Ein Einblick in die Samstagswanderung - wieder ein See, der umlaufen werden muss. |
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Abspülen mal anders. |
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Nach intensiver Planung und Vorbereitung setzen sich André, Tobias und Christian Freitag Nachmittags mit dem Bus in Richtung Nord-Osten in Bewegung. Zwei Stunden später waren sie gegen halb sechs an einer Bushaltestelle im Nirgendwo angekommen, die den Startpunkt der ersten Wanderung markieren sollte.
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Alle noch am Lächeln - VOR der Wanderung. |
Wenn es einen Weg gab, wurde dieser gekonnt übersehen und so ging es vom ersten Meter querfeldein nach Karte und Kompass Richtung Sonvasskoia. Was sich auf der Karte beim Planen als recht gemütliche Wanderung durch leicht hügelige Landschaft mit 10km Luftlinie dargestellt hatte, entpuppte sich allerdings bald als recht anspruchsvolle Tour mit vielen Sümpfen, etlichen scharfen Tälern, die im Kartenraster verloren gegangen waren, und einigen Hindernissen, wie Seen und Bächen, die umlaufen oder überquert werden mussten. Bald war klar, dass das Erreichen des Höhepunkts unserer kleinen Wanderungen (Gravøyfjellet, 930m) im Hellen zum Kraftakt wird. Kurz nach Sonnenuntergang waren wir dann zum Glück oben auf dem windigen Gipfel, der zugleich auch gut die Hälfte der Wanderung markiert hatte - keine Minute zu früh, um noch bei ausreichender Helligkeit das Terrain vor uns zu überblicken, eine möglichst sanfte Route Richtung Ziel zu suchen, sich Peilungen zur Hütte und guten Landmarken (wie Orientierungslichter des nahen Flughafens Værnes) zu merken und die Taschenlampen auszupacken. Um halb 8 war es finster, um 8 begannen wir mit Licht durch zerklüftete Ebenen und sumpfige Wiesen zu stapfen. Als wir endlich unterhalb der Baumgrenze waren, dauerte es auch nicht mehr lang bis wir, bereits leicht geschafft, über die Sonvasskoia stolperten. Drinnen erwarteten uns bereits 4 weitere Studenten, die wussten, dass wir noch irgendwann kommen mussten. Glücklicherweise war der Ofen noch warm und wir wärmten uns Chilli auf, das Tobi in ausreichender Quantität vom Vortag übrig hatte. Danach ging es zügig in die Federn, da wir am nächsten Morgen um halb 6 wieder marschieren wollten.
Geplant, getan: 5 Uhr Wecker, 5:22 Uhr Abmarsch von der Sonvasskoia. Die Wanderung vom Vortag steckte uns noch in den Knochen und auch die ein oder andere Blase hat sich über Nacht natürlich nicht verzogen. Trotzdem ging es gut gelaunt zunächst mit Licht durch Sumpf bis zum nächsten Pfad, der stetig besser ausgebaut wurde, bis wir um halb 7 im Sonnenaufgang auf einer (für norwegische Verhältnisse) bestens ausgebauten Straße im Gehen Frühstücken konnten. Zum Pause machen war keine Zeit - wir wussten unser Plan war ambitioniert. Das erste Zehntel unserer Strecke hatten wir nach ein-einhalb Stunden hinter uns gebracht - um 7 bogen wir nach guten sieben Kilometern von der Straße ab und begannen querfeldein über einen recht breiten Sattel Richtung Selbu zu laufen. Wenigstens gab es alle 20 Meter eine Markierung, was sowohl das Navigieren als auch das Gehen deutlich leichter machte. Das nächste Etappenziel - die nächste Straße um 8 Uhr zu erreichen - verpassten wir bereits deutlich und auch das darauf (die ersten Häuser Selbus zwischen 10 und 12 zu passieren) sollte eng werden. Da wir wussten, dass die Strecke durch Selbu lang und langweilig werden würde und André wegen der Blasen kaum mehr normal gehen konnte, schrumpfte die Motivation leider deutlich schneller als es die verbleibenden Kilometer taten. Alle Paar Minuten kamen und zudem Autos entgegen - Norweger die Ihren Samstag im "Gebirge" hinterm Gartenzaun zu verbringen gedachten. Von anderen Studenten hatten wir bereits gehört, dass es ohnehin quasi unmöglich sei die Norweger zum Anhalten zu bewegen, um mitgenommen zu werden. Umso überraschter waren wir, als kurze Zeit später das erste Auto, das unseren Weg passierte, auf einen spontanen, wagen und unmotivierten Fingerzeig hin anhielt und uns der Fahrer anbot, auf seiner Pritsche bis zur Stadtgrenzen zu fahren. Weiter ginge nicht, da Personenbeförderung auf Ladeflächen selbst in Norwegen verboten ist. Dankbar kletterten wir ins Auto und ließen uns einige stinklangweilige Kilometer bis zur Stadt fahren - das erste Grinsen seit dem Loslaufen.
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Seltener Anblick an diesem Wochenende: ein breites Grinsen =) |
Dort bedankten wir uns herzlich und machten uns auf durch Selbu zu wandern. Keinen Kilometer weiter wurden wir auf der Straße angehupt und wir wurden eingeladen durch Selbu gefahren zu werden. Die Beifahrerin des vorherigen Wagens hatte eine Bekannte getroffen, die mit dem Auto nach Hause unterwegs war und dachte, dass wir wohl froh wären nicht stundenlang durch die Stadt trotten zu müssen. Kurze Zeit später (gegen 12) wurden wir an der anderen Seite von Selbu abgesetzt, waren wieder voll im Zeitplan und hoch motiviert auch den Rest des Tages zu Laufen. Ein Blick auf den Plan prophezeite uns noch gute 35km mit einigen Gipfeln, die zwischen uns und der Nicokoia lagen. Zunächst ging der Weg einige Stunden über gut befestigte Forstwege mal mehr und mal weniger steil nach oben bis wir den Rensjø erreichen wollten. Bevor wir diesen erreichten wurden wir noch einmal einen Kilometer von einer weiteren freundlichen Norwegerin mitgenommen (ohne jegliches Zutun unsererseits!). Das hätten wir auch gehen können, aber wir wanderten durch drei Kartenblätter, hatten nur zwei und befanden uns gerade im fehlenden dritten Eck. Als wir den Rensjø erreichten machten wir den größten Fehler unserer Wanderung: eine Viertelstunde Pause. Hinterher konnten wir kaum mehr Gehen und hatten Mühe eine größere Familie beim Spazieren gehen zu überholen. Zum Glück wurde uns die Schmach erspart ebenfalls wieder überholt zu werden, da wir laut Kompass zum letzten mal während der Wanderung einfach in die Wildnis abbiegen durften. Das nächste Ziel war der Rensfjellet, der mit 940 Metern Höhe in doch recht beachtlicher Ferne zu erkennen war. Auch hier wurde der Plan, der zuvor am PC zusammengeklickt wurde (7km, relativ gerade, sanfte stetige Steigung bis zum Fuß des Berges) zunichte gemacht durch mehrere dutzend Moränen, die natürlich alle quer zu unserem Weg verliefen, einige Flüsse, Seen und hunderte Tümpel, die umlaufen werden mussten. Ein Fluss war derart breit, dass wir mit etlichen großen Steinen einen eigenen Übergang schaffen mussten. Trotz aller Bemühungen auf der geplanten Peilung zu bleiben, kamen wir immer weiter Richtung Norden, so dass wir bis zum späten Nachmittag brauchten um zum Fuß des Rensfjellet zu kommen. Die verbleibenden 250 Höhenmeter zum Gipfel hatten wir dann wieder in Null Komma Nichts. Auf dem Rensfjellet stürmte es noch stärker als im Tal, so dass wir nahtlos in den Abstieg auf der anderen Seite übergingen. Ähnlich wie zuvor hatten wir auch hier enge Täler, die knapp 30 Meter in den Berg einschnitten, aber nicht in den Karten verzeichnet waren und unseren Weg zu einem ständigen Auf und Ab machten. Wenigstens konnten wir - jedesmal wenn wir wieder gerade oben auf einem Kamm waren- das nächste Ziel erkennen: den Kråkfjellet, den wir, nachdem wir ein kleines Moor im Tal durchquert haben noch vor der Finsternis erreichen wollten. Dank knackigem Zwischensprint gelang uns das sogar und wir konnten um kurz vor halb 8 in der Dämmerung schemenhaft die letzten sieben Kilometer Luftlinie unseres Weges erkennen. Einige Seen, deren Zu- und Abflüsse, ständiger Sumpf, ein kleinerer Gipfel (Litlfjellet - wo Lindas Truppe schon am Nachmittag war) und das ständige Verlangen danach, sich einfach mit dem Schlafsack ins nächste windgeschützte Loch zu legen, machten uns diese Kilometer im Dunkeln zum nicht ganz so schönen Erlebnis. Vor allem die 3-Kilometer-Marke (wir mussten mal wieder zwei größeren Seen ausweichen) machte uns zu schaffen, als wir sie drei mal hintereinander nach je einer halben Stunden Stiefelei auf der Karte sahen. Allen Unwegsamkeiten zum Trotz erreichten wir nach 17 Stunden, 3 Mitfahrgelegenheiten und dennoch gut 70 Kilometer Laufstrecke die Nicokoia. Die andere Gruppe schlief bereits, womit wir kein Problem hatten - reden wollte von uns an dem Tag eh keiner mehr. Wir bereiteten uns noch schnell ein fürstliches Mahl (Cosucous mit vorbereitetem Hühnchen-Gemüse) und krabbelten dann schnurstracks in unsere Hochbetten.
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Der Weg am Samstag - noch anstrengender als das literarische Pendant am Sonntag ;) |
Am Sonntag Morgen gab es ein böses Erwachen: wir waren kaum fähig aus dem Bett zu klettern, geschweige denn gute 15 Kilometer zum Bus zu laufen. Dankenswerter Weise kümmerte sich Lindas Gruppe um die Endreinigung der Hütte und wir konnten uns dem Rest unseres Abendessens vom Vortag widmen, der fortan auch unsere Marschverpflegung werden sollte. Die eigentliche Verpflegung für diesen Tag (jeder ein Brot) hatten wir bereits am Samstag während des Gehens mit dem dringenden Bedürfnis nach Kohlehydraten vertilgt. Um halb 10 starteten wir die letzte Etappe des Wochenendes Richtung Bus. Die Navigation wurde von Lindas Gruppe übernommen, die den Weg ja größtenteils am Freitag gegangen waren. Glücklicherweise liefen sich die müden Muskeln bald wieder ein, sodass nur noch die schmerzenden Füße zum Humpeln verleiteten. Bei bestem Wetter ging es dennoch recht zügig -vorbei an einer Mini-Herde Rentiere- raus aus der Wildnis und die letzten Kilometer entlang einer geteerten Straße über einen Sattel zur nächsten Bushaltestelle in Klærbu. Dort waren wir so früh, dass wir uns noch kurz mit Schokolade im (auch Sonntags geöffneten) Supermarkt eindecken konnten, eine halbe Stunde Pause hatten und einen Bus früher als geplant nehmen konnten (die Busse fahren stündlich).
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Die gesamte Truppe vereint. |
Das einstimmige Fazit unseres Ausflugs war, dass wir die Tour einfach machen mussten, um sie mal gemacht zu haben (wir hätten sie vorher auch unter keinen Umständen abgeblasen), sie aber nie wieder machen wollen. Viel gesehen haben wir leider auch nicht, dafür waren wir zu sehr mit uns, dem Weg und dem Sinn dahinter beschäftigt. Beim nächsten Mal gibts wieder mehr Bilder - versprochen!
Stand Mittwoch: André's Füße sind wieder auf Normalgröße abgeschwollen, die offenen Stellen, wo mal Blasen waren heilen ohne größere Entzündungen, es lösen sich zwar zwei Nägel, aber die Taubheit in den großen Zehen ist dafür auch wieder weggegangen. Alles wieder gut!
Für diese Woche steht das "Highlight" auch schon fest: Am Mittwoch hatten wir eine Präsentationsreihe und Vorlesung in einer virtuellen Umgebung. Im Rahmen des Kurses "Cooperation Technology and Social Media" müssen wir in kleinen Gruppen ein Spiel entwickeln, welches den Nutzern eine Grundfertigkeit der Kooperation lehrt. Wir stürzten uns dabei auf das Stichwort Koordination und versuchen mittels eines einfachen Verkehrmanagers mit mehreren verteilten Rollen, den Spielern die Grundzüge der Koordination von Gruppen beizubringen. Dieses Spielkonzept sollten wir heute in einem Computerprogramm präsentieren, in dem jeder Hörer der Vorlesung als anonyme virtuelle Figur durch eine virtuelle Welt hüpft und allerlei Unsinn anstellt. Eine nackte Frau wurde immerhin darauf hingewiesen, sie solle sich doch angemessen kleiden. Schlechtes Bild und Ton rundeten die ganze Veranstaltung zu einer unverständlichen Zweitverschwendung ab, die Ihresgleichen sucht. Wenigstens konnten wir am Ende des 3-stündigen Spektakels unserem Unmut Luft machen und in einer Umfrage zu erkennen geben, dass sich diese "Technologie" in ihrer derzeitigen Form eben nicht, ganz und gar nicht dazu eignet, um eine Zusammenarbeit zu fördern. Das einzig Gute war, dass wir gemütlich bei unserem norwegischen Gruppenmitglied Thea auf der Couch sitzen und ihren Kaffee genießen konnten, während wir die Veranstaltung über uns ergehen ließen.
Das kommende Wochenende wird übrigens ein Büro- /Heimarbeits- /Uni-Wochenende - fußschonend versteht sich ;)